Schwimmen lernen

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So.

6 Wochen ohne Medikamente. 6 Wochen ohne zu wissen was wird, geschwommen, ohne ein Ufer in Sicht. Von Tag zu Tag schwindet die eigene Zuversicht. Schwierige Zeit.

Ich habe die Reißleine gezogen, mich an die Experten an der Uni Köln gewandt, um Zweitmeinung gebeten und auch innerhalb von 24 Stunden bekommen. 3 Tage später konnte ich meinen Onkologen dann ein Rezept abringen, anders kann man es leider nicht sagen. Mein Onkologe ist nett und er weiß auch wirklich viel, auch über meine spezielle Krankheit. Leider holt er sich keine Hilfe, wenn er mal etrwas nicht weiß, das weiß ich jetzt. Gut dass Köln da ist, gut dass Köln so nah ist, dass ich jederzeit ganz dorthin wechseln kann. Jetzt steh ich erst mal da und die Metastasen konnten sich in ganzen 6 Wochen ungehindert in meinem Körper ausbreiten. Das ist schlecht. Zwischendurch denke ich, was wäre wenn… ich diesmal so viele Hirnmetastasen habe, dass ich eine Ganzkopfbestrahlung brauche? Ich so wenige habe, dass sie wieder Löcher in mein Hirn schießen wollen? Diese stechenden Schmerzen an der Hüfte Knochenmetastasen sind?  Und mein rechter Fuß? Werde ich wieder zu Kräften kommen oder bleibe ich jetzt so geschwächt?

Och, mal sehen…

Mit dem neuen Medikament werden die Fragen erst mal weniger drängender aber ich spüre trotzdem, dass in meinem ganzen Körper eine ANSPANNUNG bleibt. So stark, dass sie nur groß geschrieben werden kann. Als hätte ich was Wichtiges vergessen..

So, als wäre ich unterwegs und dann fällt mir ein, dass ich vielleicht das Bügeleisen angelassen habe. Habe ich die Herdplatte ausgemacht? Den Backofen? Liegt die Schokolade noch auf dem niedrigen Couchtisch und der Hund ist alleine zuhaus? Habe ich alle Kerzen ausgepustet? Kommt ein Sturm auf und das Fenster steht noch sperrangelweit offen? Alle Gäste sind schon da,wo bleibt der Caterer? War Antwort B in der Prüfung doch die Richtige?  Habe ich dem Redner gesagt, dass die Veranstaltung doch woanders stattfindet? Sind die Medikamente im Koffer? Und der Reisepass leider auch? War gestern der Geburtstag von…? Habe ich wirklich Krebs und werde daran sterben?

Ja.

13 Gedanken zu “Schwimmen lernen

  1. Es ist schwer, Deinen Text zu lesen. Schwer, das hinzunehmen, was Du schreibst. Schwer, die Anspannung auszuhalten. Wie muss es da erst Dir ergehen. Ich wünschte, ich könnte Dir Kraft senden. Ich tue es einfach mal, vielleicht kommt ja was an 💜

    Wie geht es jetzt weiter? Musst Du in die Röhre oder was machen sie nun?

    Und was macht Elvis? Würde gerne mal wieder mit Euch spazieren gehen, allerdings erst im November, weil ich jetzt nach Irland fahre. Am Samstag. Mein Freund und ich. Zwei Wochen einfach mal weg.

    Lass von Dir hören!

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    1. Die Röhre kommt erst nächsten Monat dran. Auch ein bisschen unlogisch, aber gut… Kopf eigentlich sogar erst im Dezember. Ich hoffe die Medis wirken gut, so dass ich vielleicht entscheiden kann, dass mein Hirn in Ruhe gelassen wird. Mal sehen…

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  2. Lisa

    Dass Dein Onkologe Dir kein Medikament aufgeschrieben hat muss nicht bedeuten dass er nicht gut ist und der neue Onkologe besser ist. Die Meinungen der Onkologen bei der Behandlungen der palliativen Krebspatienten gehen auseinander. Manche Onkologen verschreiben einem palliativen Patienten noch ein Medikament das nur eine Ansprechrate von wenigen Prozent hat, in dem Wissen dass der Patient dafür aber unter erheblichen Nebenwirkungen leiden wird, und manche Onkologen wollen das ihren Patienten ersparen wegen der oft sehr geringen Wahrscheinlichkeit dass das Medikament die Lebenszeit noch verlängert.Hier ein Artikel dazu in der „Zeit“ file:///C:/Users/User/Downloads/Krebspatienten_sterben_fr%C3%BCher_druch_%C3%9Cbertherapien.htm
    Ich wünsche Dir dass das neue Medikament wirkt.

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    1. Hallo Lisa, in meinem Fall gibt es ein wenig Spielraum in der Therapie, wie man sieht, aber nicht allzuviel. Vor der Frage „jetzt noch eine Chemo oder lassen wirs“ , stehe ich noch nicht. Die Uniklinik Köln gehört weltweit zu den Experten für meine spezielle Art von Krebs und sie haben deshalb ein Netzwerk aufgebaut, in dem sich Ärzte und Patienten jederzeit Rat holen können. Leider holt sich mein Onkologe diesen Rat nicht. Zum Glück kann ich es aber tun und ich bin sehr froh, dass es hier ganz klar die Spezialisten gibt.

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  3. Darüber, dass das alles großer Sch… ist, brauch ich ja nix mehr zu schreiben. Auch darüber, dass ich sehr gut weiß, wie Du Dich fühlst und wie es Dir geht, ebenfalls nicht. Aber ich möchte versuchen, Dir ein ganz klein wenig von der Angst, Unsicherheit zu nehmen.
    Ich habe einige Monate Chemopause gemacht. Natürlich ohne irgendwem davon zu erzählen, ganz auf eigene Kappe und heimlich. Schließlich müßte ich eventuelle Konsequenzen auch alleine tragen, allerdings weniger heimlich.
    Und passiert ist: absolut rein gar nichts.
    Nichts zu tun, also z. B. keine harten Medis zu schlucken, heißt nicht automatisch, dass der Krebs gleich und sofort explodiert. Die ganzen schon gemachten Therapien wirken nach, haben teilweise echte Langzeitwirkung.
    Klar ist alles bei Jedem anders, aber es MUSS jetzt nicht gleich die große Katastrophe eingetreten sein 😉
    Ich schlucke meine Chemo inzwischen wieder regelmässig.
    Was hat man Dir jetzt verschrieben ? Wie kommst Du damit klar ?
    Lieben Gruß
    Sue

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    1. Hallo Sue, danke für deine immer hilfreichen Infos🙂
      Ich habe jetzt ein etwas älteres Medikament verschrieben bekommen, das dafür schon auf dem Markt ist. Wegen der sehr heftigen Nebenwirkungen hat gerade jetzt der Hersteller den Wirkstoff reduziert und ich vertrage es bislang ganz gut. Wegen der doch starken Müdigkeit experimentiere ich noch ein bisschen mit der Zeit, aber sonst… mein Onkologe wollte unbedingt das Neueste haben, er meinte das mache man nicht, auf die Vorgängermedis gehen. Leider hatte er nicht den Hauch einer Ahnung wie langwierig so ein Antrag auf Härtefallprogramm sein kann. Wegen deines letzten Kommentars habe ich auch noch mal mit der Krankenkasse telefoniert, aber die haben (in diesem Fall) nichts damit zu tun. Der Hersteller selbst entscheidet und muss das Medikament kostenlos zur Verfügung stellen. Aber warum sollte er? In wenigen Monaten wird es eh offiziell zugelassen, er muss kein gut Wetter mehr machen…

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  4. Ursel

    Ist einfach übel, dass man weiß, dass man an dieser Krankheit sterben wird. Und es wird dadurch nicht besser, dass man nicht weiß, wie lange man noch hat, bis alles den Bach runter geht. Wirklich vergessen kann ich mein Damoklesschwert nie. Allerdings kann ich es manchmal in den Hintergrund drängen und versuchen, ganz normal einfach zu leben. Hoffen wir, dass das noch eine Weile funktioniert.
    Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen!
    Ursel

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  5. Ulrike

    Nicht müde werden

    Nicht müde werden
    sondern dem Wunder
    leise
    wie einem Vogel
    die Hand hinhalten.

    (Hilde Domin)

    Der Vogel braucht Vertrauen, großes Vertrauen, um sich auf der Hand niederzulassen,
    nicht wahr?
    Wer dem Vogel die Hand hinhält, wartet deshalb ruhig, geduldig und still in der Hoffnung und dem Vertrauen, dass er sich darauf niederlassen wird.

    „Wer Vertrauen hat, erlebt jeden Tag Wunder.“ (Peter Rosegger)

    Im Nebel fliegen und dennoch vertrauen, das ist wahrhaft eine sehr schwere Übung.
    Vielleicht kann gerade deshalb diese Vertrauensübung helfen und ANspannung ENTspannen?

    Ich wünsche Ihnen von Herzen Lockerung Ihrer Anspannung..
    Ulrike

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