Krebs oder die ganze Scheiße mit der Zeit

Hubertus Meyer-Burckhardt hat ein Buch geschrieben, Titel siehe oben. Er saß schon dran, als ihn die Krebsdiagnose ereillte, und die Überschrift ernst wurde. Ich musste sie ihm jetzt mal klauen, eigentlich könnte seine treffende Formulierung die Überschrift zu jedem Krebsblogeintrag sein, der jemals veröffentlicht wurde. Jetzt noch einmal kurz zurück zum Kollegen oben, manche kennen ihn vielleicht als NDR- Moderator, in letzter Zeit häufiger Gast in Talkshows. Er sei, seitdem er Krebs hat, viel glücklicher als früher. Aha, ok. Schätze damit ist er ziemlich alleine. Musste ich doch noch mal nachrecherchieren, ob der Typ eine Vollmeise hat oder einfach ignorant und arrogant ist. Dann habe ich von ihm den Satz gelesen:“ Krebs erzieht einen zum Glücklichsein“. Ja, damit kann ich eher etwas anfangen, da muss ich ihm recht geben. Wir gehen mit den kleinen schönen Momenten in unserem Leben bewusster um, oder? Und wir vergeuden weniger Augenblicke mit Trübsinnigkeit oder Ärger. Oder versuchen es zumindest 😉. Wir müssens uns jedenfalls deutlich häufiger durch trübsinnige Momente kämpfen und bewusst entscheiden, welche Farbe der Rest des Tages haben soll.

Auch wenn mir dann die typische Kampfrethorik wieder ein bisschen auf die Nerven geht. Ja, kämpf du mal, Burckhardt…

Die Scheiße mit der Zeit hat auch mich ereillt, aber ich bin selbst Schuld, wer fragt, bekommt Antworten. Ich hatte am Donnerstag einen Termin in der Uni-Klinik Köln, im Zentrum für genomische Medizin, die Experten wenn es um meinen Spezi- Krebs geht. Ich hatte mich dort für eine Zweitmeinung vorgestellt und der Prof hat sich auch wirklich Zeit für uns genommen. Ist euch schon mal aufgefallen, dass die Chefärzte und Professoren doch von einem anderen Forschergeist beseelt sind als die gemeinen Oberärzte? Sie strahlen einen Enthusiasmus für ihre Arbeit aus, dem die Tatsache, dass der direkt Betroffene vor ihm sitzt, nichts ab kann. Sei es drum. Er hat mir vieles nochmal genau erklärt, ein bisschen Licht ins Dunkle gebracht, wie mein Krebs so funktioniert und mir die Sicherheit gegeben, dass in meiner Klinik alles richtig gemacht wurde. Ich bin jetzt etwas schlauer, auch über die verdammte Scheiße mit der Zeit. Das sieht so aus: Leider kommt Immuntherapie für mich überhaupt nicht in Frage, Chemotherapie wird ganz schlecht anschlagen und aus den zwei Medikamenten, die ich noch für mich in der Pipeline sah, ist nur noch eines geworden. Außerdem ist es schon ungewöhnlich, dass meine Tumore so schlecht auf die Pillen ansprechen, bei anderen Patienten sieht man viel größere Effekt. Vom Schrumpfen kann bei mir keine Rede sein, stable desease ist mein Zauberwort.

Da hat sich meine erhoffte zu erwartende Lebenszeit doch gerade mal geviertelt, so schnell kanns gehen. Dafür sehe ich aber sehr gesund aus, sagt der Prof. Och, schön. Wer hat an der Uhr gedreht?

Und auf einmal bin ich wieder sehr achtsam im Hier und Jetzt und werde gewahr, dass die Uhr tickt. Diese Momente fühlen sich an, als würde die Zeit still stehen, die Zeitlupe setzt ein, alles wird klar und intensiv.

Am besten fährt man dann erst mal in den Urlaub 😊 Erst mal wieder ein paar Kilometer zwischen mich und den Krebs bringen, die doofe Familie auch da lassen wo der Pfeffer wächst, ab in die Sonne! Jetzt liege ich hier auf den Kapverden am Strand, sehe auf den Atlantik raus in diesem wunderbaren Licht und muss an Christoph Schlingensief denken:

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!

Ein Gedanke zu “Krebs oder die ganze Scheiße mit der Zeit

  1. Was das „Kamfp-Gerede“ angeht, kann ich das ebensowenig hören/lesen wie Du auch.
    Ich lebe ja nun schon 10 Jahre in diesem Zustand und irgendwie gewöhnt man sich mit der Zeit auch daran. Ist zwar komisch, ist aber so.

    Ich wünsche Dir eine wunderbare Zeit, da wo Du gerade bist.
    Wenn ich es mit irgendwie leisten könnte, würde ich es ähnlich machen.

    Lieben Gruß
    Sue

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