Keine Pause vom neuen Leben

Für einen Moment bin ich der Versuchung erlegen, zu denken, es gäbe Pausen. Kleine Pausen zum Zurücklehnen und Atemholen, mal nicht drüber nachdenken oder drum kümmern müssen.  Vielleicht ein paar Wochen nach meiner letzten Kontrolluntersuchung, als ich mit der Wiedereingliederung begann, da fühlte sich das Leben fast so wieder an, wie ich es kannte, wie früher.

Jetzt musste ich doch wieder aus meinem kleinen Tagtraum aufwachen. Nicht dass ich hart auf dem Boden der Realität aufgeschlagen wäre, dass nicht. Aber ich bin einen Moment eingenickt und leicht wieder aufgeschreckt.

Als ich dann doch wieder wegen verschiedenen Symptomen Kortison nehmen musste, und dann wieder direkt einige kompliziertere Untersuchungen anberaunt wurden, da war ich tatsächlich im allerersten Augenblick ein bisschen genervt. 🙂 Ich habe doch alles gemacht. Die letzte Untersuchung war doch gut. Ich nehme doch brav meine Medikamente. Mir wurde aber mehr als ein paar Monate versprochen. Äh ja!

Ja, ich habe Krebs. Die ganze Zeit über. In mir sind weiterhin diverse Tumore und Metastasen. In mir passiert etwas, die ganze Zeit über. So ist das eben, wenn man Krebs hat. Keine Pause. Nur Tage, wo der der Krebs eine kleinere Rolle spielt und Tage, wo der Krebs eine größere Rolle spielt.

Und zeitaufwendigere Untersuchungen, Termine, rumreisen, Unterlagen besorgen, weitersenden, organisieren, das ist Alltag, nicht Ausnahme. Das gehört jetzt eben in mein Leben. Aber Normalität verändert sich wahrscheinlich oft genauso so. Ruckweise, nicht fließend, fängt man an, ein anderes Leben zu leben.

4 Gedanken zu “Keine Pause vom neuen Leben

  1. Irgendwie ist mein Kommentar verschluckt worden 😕 naja, Computer sind ja dafür da, dass man mit ihnen die Probleme löst, die man ohne sie nicht hätte 😜 jedenfalls schrieb ich was von weglaufen und nutzt nix weil der Krebs mitläuft und wie gut ich Dich verstehen kann.

    Weißt Du, was mich am meisten aufregt? Dass alle anderen so tun, als wäre nichts. Ganz wenige halten inne. Ich kann sie an einer Hand abzählen. Aushalten gehört eben nicht zur Stärke der Spezies Mensch. Ist einfach so.

    Trotzdem noch einen schönen Abend!

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  2. Judith

    Bei mir war es genau anders rum. Bei der Diagnose Knochenetas vor fast 3 Jahren, da hat mir mein Onkologe gesagt, dass es sein kann, dass ich paar Jahre Ruhe habe oder dass es schnell geht. Ich habe dann von CT zu CT gelebt und IMMER damit gerechnet dass es vielleicht schnell gehen wird. Und dann passierte von CT zu CT NICHTS . Es kam nichts Neues dazu und die
    2 Knochenmetas blieben unverändert. Ich hatte also bis jetzt das Glück, zu den Patienten zu gehören, die paar Jahre Ruhe haben und das bei einer sehr guten Lebensqualität ohne Nebenwirkungen von Medikamenten.
    Ich hatte also bis jetzt eine fast 3 jährige Pause, für Dich wahrscheinlich eine super lange Zeit, wo Du froh wärst wenn Du nur ein Jahr davon hättest, aber ich konnte sie nicht wirklich als Pause erleben, weil ich ja damals noch nicht wusste, dass ich das Glück habe zu den Patienten zu gehören, die mehrere Jahre Stillstand haben. Ich musste also immer auch damit rechnen zu denen zu gehören , bei denen es wie mein Arzt damals zu mir gesagt hat „schnell geht „. Und so habe ich in der ständigen Anspannung gelebt, dass beim nächsten CT rauskommt, dass der Krebs fortschreitet und ich bald sterben werde.
    Was ich sagen will, obwohl ich seit fast 3 Jahren eine Pause habe , habe ich psychisch das nicht so erleben können, was mich total ärgert im Nachhinein und wo ich immer wieder denke, was würde ich drum geben diese 3 Jahre nochmal erleben zu können, mit dem Wissen, dass 3 Jahre lang Stillstand sein wird mit dem Krebs. Das wäre ein völlig anderes , unbeschwertes Leben. Aber das ist nicht möglich, vorbei ist vorbei.
    Und seit ungefähr einem halben Jahr war das Gefühl vielleicht bald sterben zu müssen dann plötzlich weg. Ich weiß nicht warum, vielleicht weil ich mich jetzt an den langen Stillstand gewöhnt habe. Ich hatte sogar ganz oft das Gefühl „gesund“ zu sein, weil ich seit fast 3 Jahren vom Krebs nichts merke, aber vom Verstand her weiß ich, dass es gerade jetzt immer wahrscheinlicher wird, dass es in absehbarer Zeit weitergehen wird mit dem Krebs, denn ein Stillstand von mehr als 3-4 Jahren ist sehr selten. Es ist zum Verrücktwerden, jetzt wo ich endlich auch psychisch mich wieder normal fühle, jetzt müsste ich mich eigentlich vom Verstand her darauf einstellen, dass es in absehbarer Zeit weitergehen wird.
    Also egal wie es läuft, ein unbeschwertes, normales Leben ist wohl nie mehr möglich.
    Lieben Gruß

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  3. Liebe Judith,
    ich glaube, wie man es dreht und wendet, dieses Leben, dass wir jetzt führen ist ein seltsamer Zustand. Ich weiß nicht, ob es leichter ist von Tag zu Tag zu leben oder eine sichere Uhr von drei Jahren vor Augen zu haben, die man dann aber ticken sieht. Ich selbst habe mich ja dagegen entschieden etwas von Zeiträumen wissen zu wollen. Es gibt bei meinen Medikamenten durchaus Durschnittswerte, wie lange es dauert, bis mein Krebs resistent wird, aber ich wollte sie nicht wissen. Ich versuche mich immer auf heute zu konzentrieren und nicht an Morgen zu denken. Du hast ganz sicher recht: ein normales, unbeschwertes Leben gibt es nicht mehr für uns. Aber vielleicht etwas anderes, das intensiver und bewusster ist.

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  4. Judith

    Ich ärgere mich nur über mich selbst, dass ich das große Glück im Unglück habe,
    dass ich Ruhe vor dem Krebs habe und wirklich nicht mehr tun muss als meine
    Medikamente zu schlucken und völlig beschwerdefrei leben kann, ganz ohne
    Schmerzmittel, im Gegensatz zu Dir wo Du Beschwerden hast die viele Arztbesuche nötig machen ,was ja ein vorrübergehendes Vergessen vom Krebs unmöglich macht und ich
    trotzdem dauernd dran denke wie lang es mir wohl noch so gut gehen wird, obwohl ich
    gar keine akute Lebensbedrohung habe wie Patienten mit Organmetastasen.
    Also ich lebe sehr intensiv und genieße auch mein Leben, aber ich habe auch das
    Gefühl das es nicht gut wäre den Krebs meistens zu vergessen, obwohl es mir mein
    sehr guter körperlicher Zustand erlauben würde. Ich glaube irgendwie, wenn ich den
    Krebs phasenweise „vergesse“ dass ich dann wieder in einen banalen Alltragstrott verfalle
    und weniger intensiv lebe und dann dadurch an Lebensqualität verliere.
    Ich glaube das ist eine nicht zu beantwortende philosophische Frage auf welchem Weg man
    noch am meisten aus dem eigenen Leben rausholen kann.
    Und ich muss auch wirklich ganz ehrlich eins sagen, auch wenn das ein Gesunder wahrscheinlich nicht verstehen kann, die Jahre seit der Diagnose waren die Besten meines
    Lebens, weil ich erst da angefangen habe intensiv zu leben und alles zu machen was ich will und ich bin auch dankbar darüber, dass ich schon Jahre vorher weiß, dass mein Leben zu Ende gehen wird, denn dadurch habe ich die Möglichkeit mein Leben ganz anders zu planen und mich bewusst von allem zu verabschieden.

    Lieben Gruß

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