in der Luft, denn nixx Neues weiß ich nicht 😉
Bei der Bronchoskopie im Juli kam raus, dass ich a) Brochoskopien wirklich nicht mag und b) dass sich zwei unterschiedliche Mutanten breit gemacht haben und c) dass ich noch eine Bronchoskopie machen muss :-(.
Die habe ich vor zwei Wochen hinter mich gebracht, diesmal in Vollnarkose, mit allem drum und dran, denn sie wollten noch ein bisschen tiefer graben als sonst. Donnerstag erfahre ich dann, ob und wie man den beiden Mutanten bei kommen kann. Im Raum stehen Chemotherapie und anschließend Tabletten-Chemo (Target Therapie).
In den drei Wochen zwischen Bronchoskopie 1 und Bronchoskopie 2 haben sich zwei weitere Untermieter im linken Lungenflügel breit gemacht, da findet also gerade eine kleine Invasion statt. Natürlich mache ich mir Gedanken, was dann so im Rest des Körpers so passiert, im Hirn zum Beispiel, der bevorzugte Fernablegeplatz von Alki, meinem alten Freund, der grade so richtig in Partystimmung ist. Aber ich kann mir grad nicht ins Hirn gucken, es hilft nichts, ich muss abwarten.
In der Praxis sieht das dann so aus: der beste Ehemann von allen und ich haben schon mal nachgeschaut, was man im Falle eines Anfalls tut (nichts in den ersten 5 Minuten, dauert´s länger, Notarzt rufen) und uns vorgenommen, nichts auf Schwindelanfälle, Sehstörungen, Augenschmerzen, Übelkeit geben, die habe ich auch so oft. Aber jeder Krebspatient kennt das: es juckt dich irgendwo und als allererstes denkst du nicht an einen Mückenstich, sondern an eine Metastase… Schwierig dabei ruhig zu bleiben, ich versuch´s, aber auch wenn mein Hirn sagt: Entspann dich, widerspricht mein Herz und galoppiert los, Migräne feuert… Wenn mein Körper mal einfach nur tun würde, was ich ihm sage 😉
Ich habe ein Buch gelesen: „Wie fühlt es sich an zu sterben?“ Zu meinem Erstaunen war es sehr wissenschaftlich und doch auch einfühlsam zu gleich. Alles wurde mit wissenschaftlichen Studien belegt und mit Fallbeispielen verdeutlicht. Es war sehr explizit, vielleicht manchmal eindeutiger, als ich es mir gewünscht hätte zu lesen, aber ich kann es sehr empfehlen. Es ist so ein AHA – Effekt wenn man von Dingen liest, die man selbst erlebt oder spürt, für die man aber nicht die richtigen Worte hat. Und dann merkt man, jemand hat darüber geforscht, das ist ein Phänomen, dass bekannt ist und viele trifft.
In der Uni hat mir mal eine Kommilitonin aus Kroatien erzählt, dass sie zuerst illegal nach dem Krieg nach Deutschland gekommen ist und dann von der kroatischen Community hier gelernt hat, wo man unterkommen kann, dass man sich nicht beim Schwarzfahren erwischen lassen darf und 100 andere Tricks, wie Illegale hier leben. Dann hat sie ein Studentenvisum beantragt, angefangen zu studieren und in einem Seminar war es Thema, wie Illegale hier leben. “ Die haben das alles gewusst“, erklärt sie mir fassungslos, „alle Tricks, alle Verstecke, alle Methoden, von denen wir dachten, das weiß keiner, das wissen die alles…“
So habe ich mich ein bisschen gefühlt, als ich das Kapitel „Im Land der Lebenden/Toten“ gelesen habe. Da wird das Leben metastasierter Krebspatienten thematisiert. Dass sie nicht mehr zu den Lebenden gehören, mit all den Dingen, die Lebende beschäftigen und um die sich Lebende kümmern, dass sie aber auch noch nicht tot sind und dass dieser Zustand, dank moderner Therapien, jahrelang anhalten kann. Man schwebt in einem Zwischenraum, in dem man aber schwer beschäftigt ist, alles rund um seine Krankheit zu koordinieren. Nicht nur die Termine bei Ärzten und im Krankenhaus, sondern auch, was schaffe ich gerade unter der Therapie, die ich bekomme? Brauche ich Hilfe? Wen kann ich damit belasten? Wem darf ich mich wie weit zumuten? Wem kann ich sagen, dass ich Angst habe oder das es mir schlecht geht, wem darf ich das nicht sagen? Wenn ich jetzt auf die Straße gehe, komme ich bis zum Supermarkt? Sollte ich mich jetzt schon um meine Beerdigung kümmern? Werde ich morgen diesen Termin einhalten können oder soll ich vorsorglich absagen? Aber dieser Termin ist wichtig. Aber wenn ich erst kurz vorher absage, weil ich versuchen will es zu schaffen und dann schaffe ich es doch nicht, dann ist es richtig doof. Darf ich Verständnis erwarten?
Sie nennen die Phase auch das Leben-Sterben-Intervall. Eine lange Sterbephase, innerhalb derer der Stress, eine tödliche Krankheit zu haben, ab- und zunimmt, in Wellen kommt, so wie ich es auch erlebe. Zwischendurch erlebt man ganz ausgeglichene Phasen und dann wieder nimmt der Kampf überhand, mit der Angst, mit den Symptomen, mit Therapieentscheidungen, mit den sich verändernden Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn man am verletzlichsten Punkt seines Lebens ist, wächst die Arbeit. Und sie wird wohl auch nicht mehr aufhören.
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Schwebende Zukunft
Habt ihr einen Kummer in der Brust
Anfang August,
Seht euch einmal bewußt
An, was wir als Kinder übersahn.
Da schickt der Löwenzahn
Seinen Samen fort in die Luft.
Der ist so leicht wie Duft
Und sinnreich rund umgeben
Von Faserstrahlen, zart wie Spinneweben.
Und er reist hoch über euer Dach,
Von Winden, schon vom Hauch gepustet.
Wenn einer von euch hustet,
Wirkt das auf ihn wie Krach,
Und er entweicht.
Luftglücklich leicht.
Wird sich sanft wo in Erde betten.
Und im Nächstjahr stehn
Dort die fetten, goldigen Rosetten,
Kuhblumen, die wir als Kind übersehn.
Zartheit und Freimut lenken
Wieder später deren Samen Fahrt.
Flöge doch unser aller Zukunftsdenken
So frei aus und so zart.
Joachim Ringelnatz
Am Sonnabend-Abend mit dem Wunsch für einen schönen Sonnentag – „luftglücklich leicht“ …
Ulrike
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