Land in Sicht

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Ich hatte einen „richtigen“ Zweittermin mit dem Professor aus Köln, dem, der richtig Ahnung hat von Alk-Tumoren. Nicht nur eine Sekretärin zwischen Tür und Angel, sondern 20 min Gespräch am Bildschirm, was man heute eben so einen richtigen Termin nennt 🙂

Ich musste meinen Mut dafür zusammennehmen, denn „Getz kommt Butter bei die Fische“, wie man im Ruhrpott sagt, der gleich bei mir um die Ecke liegt.

In den ganzen 5 Jahren habe ich es bisher vermieden nach Prognosen zu fragen, ich wollte auf keinen Fall eine Zeitangabe, ich wollte auf keinen Fall den großen Überblick, ich wollte nur wissen, wie ich bis zur nächsten Ecke komme. Nur die nächsten drei Schritte, die ich gehen muss, bitte.

Und es gab ja auch immer noch ein nächstes Medikament, und es gab ja immer noch eine Studie, und da wurde ja in USA schon wieder an irgendwas geforscht. Aber jetzt nicht mehr.

Manche fragen direkt bei der Diagnose: „Wie lange habe ich?“, manche schließen die Augen davor, bis zum Schluss und verdrängen ganz, dass sie krank sind. Manche hoffen und glauben einfach an keine Prognose, „Ich bin keine Prognose, ich bin keine Leitlinie und keine Statistik“ schreien sie und sie haben ja auch Recht damit. Es gibt immer die paar großen Ausreißer, an die man sich klammern kann.

Für mich ist es Zeit, mich jetzt zu konfrontieren. Ich will nicht mehr die Augen zu machen, ich will mich keiner Hoffnung auf Eventualitäten hingeben, ich will wissen und annehmen was ist. Ich bin gewachsen an meiner Krankheit, in den letzten 5 Jahren. So lange weiß ich schon, was irgendwann unweigerlich auf mich zukommen wird. Und jetzt ist Irgendwann vorbei.

Der Prof aus Köln ist ein sehr netter und erfahrener Onkologe, einer der Zuversicht ausstrahlt, wo keine ist. Einer, der gut schlechte Nachrichten überbringen kann. „Nein, es gibt kein weiteres Medikament, nach dem, was ich jetzt nehme, nein auch nicht in der Studie, auch nicht irgendwo auf der Welt in einem Zulassungsverfahren. Ja, TP 53 macht, dass die Therapie wenig und kurz anschlägt, auch die Chemo und die Immuntherapie. Im Moment weiß er von keiner Studie, in die ich anschließend könne. Man muss eben, wenn das Medikament nicht mehr wirkt (wenn es denn überhaupt wirkt, das wissen wir ja gar nicht), testen, testen, testen. Und weitersehen. Wir können nur eben nicht weit gucken.

Es war nicht so schlimm, es fühlt sich nicht schlimm an. Es fühlt sich an, wie: Ja, in Ordnung.

Ich merke, wie ich seitdem die Zeit tatsächlich noch viel bewusster wahrnehme, mehr als in den vergangenen Jahren, in denen ich ja auch schon darauf geachtet habe, mir einen schönen, lebenswerten Tag zu machen. Ich merke, wie ich den Horizont vor Augen habe und er näher kommt. Ich muss Vorbereitungen treffen.

Und trotzdem ist jetzt Leben und man kann es nur so leben, als ob es nie enden würde.

Ein Gedanke zu “Land in Sicht

  1. Gefällt mir anzuklicken ist gar nicht leicht, und doch gefällt es mir! Denn es stimmt einfach, was Du schreibst, Leben ist JETZT und nicht irgendwann. Ich wollte auch nie irgendwelche Zahlen wissen, wollte mich nie mit anderen vergleichen, messen, Chancen… ich wollte einfach das machen, was ansteht und dann sehen, was draus wird. Auch ich hatte so einen richtig guten Professor, so richtigrichtig gut, der mich durch das alles geleitet hat und dem ich dafür sehr dankbar bin. Und nun hat der Krebs erneut Einzug in meine Familie gehalten, ein mir sehr lieber Mensch ist betroffen. Wir reden ebenfalls nicht von Chancen und Zahlen und… es wird gelebt, getan, was getan werden muss und kann, und dann wird geschaut, was hat es gebracht. Wie geht es weiter. Ich würde mal sagen, Montag mehr 😉

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