mit mir selbst…
Es gibt eine Menge Dinge und Personen, die mir das Leben schwer machen. Krebs und Sterben müssen, ist da so etwas. Meine Familie eine andere Sache. Ich selbst aber auch.
Wie mit etwas umgehen, dass man nicht verändern kann, dass man nicht abwenden kann? Man kann nur die eigene Haltung dazu ändern und das ist eine stetige Arbeit, aber ich glaube, ich komme voran. Merkwürdig wie einem manchmal Dinge klar werden, die man doch eigentlich immer wusste, man hat sie nur nie bewusst betrachtet.
Fangen wir doch mit letzterem an: Ich
Ich bin so ein Mensch, ich könnte mich gar nicht gut selbst beschreiben. Was für ein Mensch bist du? Wissen andere da wirklich eine Antwort drauf? Ein paar Facetten kann ich benennen: Ich bin ein wirklich kritischer Mensch. Ich übe am liebsten Kritik an mir selbst, bei der kleinensten Kleinigkeit. In der Interaktion mit anderen Menschen frage ich mich hinterher, war das jetzt unhöflich? Habe ich da genug nachgefragt? Hat der andere sich übergangen gefühlt? In Alltagssituationen, nicht im großen Krisengespräch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Menschen sich kaum Gedanken nach einem Gespräch machen. Das ist auch überhaupt nicht nötig, völlig überflüssig. Ich bin ziemlich kritisch und streng mit mir, das ist auch ziemlich überflüssig und überhaupt nicht nötig. Bin ich introvertiert? eigentlich nicht. Es fällt mir leicht Menschen anzusprechen, auf sie zuzugehen, ein bisschen Small-Talk zu halten. vielleicht bin ich aber auch nur die Rheinland-Version eines introvertierten Menschen 😉 Ich höre gerne zu und muss nicht unbedingt von mir erzählen. Es gibt viele Menschen, die unheimlich gerne von sich erzählen. Ich mag die vielen kleinen Alltagsbegegnungen die ich vor allem habe, seitdem ich mit Elvis, dem Pudel unterwegs bin. Es wird Zeit mir selbst gegenüber viel nachsichter und versöhnlicher aufzutreten. Dinge gut sein zu lassen. Sich weniger Gedanken zu machen.
Ich bin nachtragend. Ein Elend wie lange ich Dinge, die ich verbockt habe, mir selbst vorwerfe! Wenn die Welt es schon längst vergessen hat, mache ich mir Vorwürfe, weil ich in dieser Situatuion nicht dies oder jenes gemacht habe. Bescheuert. Damit höre ich jetzt auf. Ich bin ein Mensch, ich mache Fehler, die trägt mir keiner nach, nur ich selbst. was für ein unnötiger Ballast in meinem Leben.
Nachtragend bin ich auch Anderen gegenüber. Was für wundervolle Menschen, die einfach über erlittene Kränkungen hinwegsehen können, ich kann es nicht. Es hilft aber nicht, sich daran aufzuhängen, wie arm man doch dran ist, was andere Menschen dir angetan haben, wie konnten sie nur?
Es ist schon fast zwei Jahre her, dass meine Familie mir deutlich gezeigt hat, dass ich jetzt mit meiner Krankheit bitte kein Teil mehr von ihnen sein soll. Zu diesem Thema habe ich übrigens kaum etwas gefunden. Ich bezweifle aber sehr, dass es nur mir so geht.
Mein Bruder hat meinen Eltern verboten sich sorgen und Gedanken um mich zu machen, meine Schwägerin hat ungeheurliche Lügen und Intrigen gesponnen, damit ich bei meinen Eltern ganz schlecht da stehe. Meine Schwester hat von all dem gewusst und mich angelogen, hat mich auch gebeten fern zu bleiben, damit sie mit meiner Schwägerin weiter feiern kann. Meine Eltern sind die Konfliktvermeider vor dem Herrn und haben einfach gar nichts gesagt. Und ich habs zumindest versucht, hier muss ich mir keinen Vorwurf machen, aber daran gibts nichts zu ändern, ich soll weg.
Man sagt Krebs macht gute Beziehungen besser und schlechte Beziehungen schlechter. So ist es. Vielleicht. Oder so. Ich hatte immer eine schwierige Beziehung zu meinen Eltern. als Kind auch eine Schwierige zu meinen Geschwistern, später eigentlich eine ganz Gute. Mit der Krebsdiagnose habe ich wirklich gedacht, dass meine Familie mich auch mittragen wird, dass sie mich unterstützt und für mich da ist. Das Gegenteil ist der Fall, sie haben mir meine letzte Zeit so schwer gemacht, wie es der Krebs nie geschafft hätte.
Es war zuviel verlangt, dass sie mich stützen, es mag Familien geben, die das können und machen, aber ich habe es nicht kennengelernt. Es ist auch ein Unterschied, ob man Krebs hat, ein Jahr durch die Hölle geht und dann wieder gesund ist. Nicht, dass für den Betroffenen sich nicht auch die ganze Welt und mehr dadurch nachhaltig ändert. Aber das Bedürfnis nach Rücksicht und Unterstützung ist vielleicht begrenzter und das Gefühl der Angehörigen, Rücksicht nehmen zu müssen und zu unterstützen, ist zeitlich begrenzt. Ich hatte damals ein großes Bedürfnis nach Rücksicht und Unterstützung, denn ich hatte seit über einem Jahr starke Schmerzen, ich war dick und verquollen durch Kortison, ich litt unter Muskelschwäche und verbannte wie ein Vampir, sobald mich ein Sonnenstrahl traf. Das war wirklich ein scheiß Medikament, damals. In meiner Wahrnehmung habe ich mich mit Jammern stark zurückgehalten, ich hatte nicht vermutet, dass von meinem Zustand viel nach außen dringt, aber das was drang, war wohl schon zuviel.
Whatever. So ist das eben. Niemand ist verpflichtet, mit mir zu fühlen oder mir zu helfen, wie kann ich es jemand nachtragen? Was kann ich von anderen Menschen erwarten? Nichts. Was freiwillig gegeben wird, kann ich annehmen, was nicht gegeben wird, kann ich auch nicht erwarten. Mich hat das Ganze natürlich gedanklich massiv beschäftigt, ich habe viel gegrübelt in den letzten Jahren. Dabei habe ich auch gemerkt, dass immer mehr Tage kommen, an denen ich das Thema loslassen kann, es mir einfach nichts mehr ausmacht, was geschehen ist. Weil ich von diesen Menschen losgelassen habe. Einige sind einfach feige und andere sind einfach dumm und böse. Ich bin nichts davon, dass kann ich ganz selbstkritisch von mir sagen. Mich selbst nicht mehr als Opfer der bösen Welt zu sehen, das versöhnt mich mit mir. Meine Familie hat mich entsorgt wie Müll und dann fühlt man sich selbst auch erst mal wie Müll. Und ich habe mich gefragt, wieso? Aber es gibt keine Rechtfertigung für so ein Verhalten und ich muss mich nicht länger fragen ob ich etwas getan habe, was das verdient hätte.
Und lange habe ich mich gefragt, wie ich mich gegenüber meiner Schwester und meinen Eltern verhalten soll, ich hatte kein Bedürfnis sie zu verletzen. Mein Bedürfnis ist inzwischen so wenig Kontakt wie möglich zu haben, denn nach jedem Kontakt geht es mir nicht richtig gut. Und lange habe ich gedacht, ich kann das niemandem antun, den Kontakt ganz abzubrechen, aber inzwischen habe ich mich Stück für Stück da raus gearbeitet. Es ist mir inzwischen gleichgültig, was jemand aus meiner Familie denkt oder fühlt. Ich habe wirklich gelitten und ich will meine letzten Tage nicht mehr damit verbringen, mir Gedanken um das Wohlbefinden anderer zu machen, die sich um mich nicht viel mehr scheren, als den äußeren Schein zu wahren. Wenn ich keinen Kontakt will, dann ist das in Ordnung so und ich muss mich vor niemanden rechtfertigen. Was andere dazu denken ( und damit meine ich vor allem meinen erweiterten Familienkreis) das ist gleichgültig. Ich lasse los. Keine Diskussionen mehr mit mir selbst. Ich nehme zur Abwechslung mal Rücksicht auf mich, denn das bin ich mir wert und das versöhnt mich mit mir. Und es zeigt mir auch Kraftreserven, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie noch habe.
Un der mistige Krebs, auf den ich grade stinkig bin ( denn das bin ich nämlich nicht immer) der jede verdammte Lücke sucht und immer am Anschlag ist. Das letzte Jahr ging es mir körperlich richtig gut, vor allem die letzten 6 Monate, kaum Schmerzen, das Kortisongesicht hat sich wieder verzogen, ich kann mich halbwegs bewegen. Bald gehts wieder richtig los, Bronchoskopie, Bestrahlung, Medikamentenumstellung.
Als Palliativpatient setzt man sich nicht mit seiner Situation auseinander und hat das Ganze dann schön verarbeitet und wartet friedvoll auf seinen Tod. Nein, man arbeitet die ganze Zeit mit dieser Situation und es gibt gute Tage und schlechte Tage. Es gibt Tage, da ist es in Ordnung und man hat Tage, die muss man durchstehen und es ist schwer den Kopf über Wasser zu halten. Aber Tage, an denen ich nicht an Krebs und meinen Tod gedacht habe, die hatte ich seit drei Jahren und 11 Monaten und zwei Tagen nicht mehr. Es gibt keine unbedarften Tage, man ist immer in einem Schwebezustand. Und kann ich mich mit diesem Schicksal versöhnen? Ziemlich oft, aber da arbeite ich noch dran.
Einen inneren Frieden kann ich nur selbst herstellen, alles Mögliche kann passieren, es liegt an mir, wie ich damit umgehe, welche innere Haltung ich dazu entwickeln kann. Ich kann nur mein Handeln und meine Einstellungen beeinflussen. Für das der Anderen oder der Welt kann ich keine Verantwortung übernehmen. Das müssen sie selbst tun.
Es ist was es ist.