Die eintretende Stille nach dem großen Wirbel…
Es gab Sturm: Mein Onkologe wollte, dass ich eine Chemotherapie mache und anschließend ein für mich empfohlenens Medikament nehme. Nur der Sicherheit halber, pro forma sozusagen, wandte ich mich noch an die andere Klinik zur Zweitmeinung. Wie immer, waren die so immens fix, dass ich eine Woche später schon Termin beim Prof. gehabt hätte, da hätte aber schon die Chemo starten sollen. Also schaute er zwischen Tür und Angel mal eben auf meine Biopsie und war „sehr irritiert“ dass der Kollege eine Chemo verordnet hatte.
Also meinen Onko angerufen und ihm die zweite Meinung mitgeteilt, er dies an seinen Oberguruprof ausgerichtet. Der zurückgemeldet, er bliebe bei seiner Empfehlung, aber wenn ich denn unbedingt wollte, würde er auch nur mit dem Medikament mit mir gehen.
Schwarzer Peter also bei mir. 12 Stunden bis ich meine Entscheidung der Station bekannt geben muss, die die Chemo für mich vorbereiten würde. Ein Abend des sich Schlecht- Fühlens, den hin und her, Pause,
noch mal neu überlegen…
Ich sitze mit meinem Mann im Wohnzimmer, ich weiß nix und entscheide über mein Leben und meinen Tod. So fühlt es sich an und so ist es auch. So etwas tun zu müssen, ist furchtbar.
Wir entscheiden uns für das Medikament – gegen die Chemo.
Ich komme am übernächsten Tag in das Krankenhaus und werde in die Tagesklinik geschickt, ich soll mir dort bei einem fremden Arzt das Rezept abholen. So weit, so gut. Das kam schon mal vor, dass sich mein Arzt vertreten lies, wir hatten diese Woche ja auch keinen Termin miteinander ausgemacht. Der neuen Arzt fragte erstaunlich genau über mein Befinden und den bisherigen Fortschritt der Krankheit, was mir schon seltsam vorkam, für eine Vertretung, die nur mal eben ein Rezept ausstellt. Und dann habe ich einen neuen Termin mit ihm bekommen. Ich frage Ihn: „Bin ich denn jetzt bei Ihnen?“ Er sagt:“ja, wenn Sie nichts dagegen haben.“
Mein Onkologe hat mich jetzt 4 Jahre begleitet und ohne ein Wort wurde ich abgeschoben an einen Assistenzarzt in der Tagesklinik. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Ich habe nochmal zaghaft nachgefragt (mein Onko war unauffindbar) in meinem (ehemaligen) Sekretariat, warum? Sie druckste rum und brachte irgendwann raus: „Ja der Dr.Sowieso wollte sie gerne..“ Nachtigall, ick hör dir trapsen…
Ich kann nur darüber spekulieren, was in den Hinterzimmern da abgelaufen ist, ich glaube, ich werde es nicht rauskriegen… Ob doch jemand aufgrund von Zweitmeinungsangebot beleidigt war? Ob´s ein kleiner Hahnenkampf zwischen den Professoren und dort verletzte Eitelkeiten waren. War ich eine doofe, nervige Patientin und es ergab sich die Gelegenheit mich loszuwerden? Ich weiß es nicht und mein Krankenhaus ist zu professionell um etwas durchblicken zu lassen. Kann ich das jetzt einfach mal so stehen lassen? Ja, ich kann. Der Neue scheint auf Zack zu sein 😉
Der ganze Wirbel jedenfalls, mit der Chemo, hin und her, der ging um eine zweite Genmutation, die auf dem pathologischen Befund auftauchte. In der ersten Reihe stand brav mein Alk -blablaba und in der zweiten Reihe, wohl nicht zum ersten Mal, stand da TP53. Das kann man übersetzen und heißt Arschkarte. Jetzt weiß ich das. Die heißt: es mag ja inzwischen geile Therapien für deinen Alk-Krebs geben, aber ich bin so etwas wie eine Superheldenkraft für deinen Krebs und ich sorge dafür, das keine der Therapien gut oder lange anschlagen werden. Gemeinsam geben wir jeder Chemo, jeder Immuntherapie und jedem TKI eins auf die Fresse.
TP53 hat also dafür gesorgt, dass ich mich so gewundert habe, dass alle immer davon gesprochen haben, dass unter den Medikamenten alles zurückgegangen ist und nichts mehr zu sehen ist, nur bei mir kommt es lediglich zu einem verlangsamten Wachstum.
Das waren jetzt ein paar aufwühlende Wochen, schwer, viel zu tun, zu organisieren, sich wieder mit dem ganzen Mist auseinandersetzen, es war viel auszuhalten. Jetzt ist so langsam wieder Ruhe eingekehrt.
Aber diese Ruhe ist eine Andere. Diesmal heisst es nicht: „Bis zum nächsten Mal“, denn es gibt kein nächstes Medikament. Und es gibt auch wenig Hoffnung, dass mein Medikament lange genug wirkt, bis wieder welche auf dem Markt sind.
Also:
Nutze den Tag!