Das steht auf dem Briefkopf des Kirchenamtes, dass mir freundlicherweise etwas von dem unrechtmäßig an sich gerissenem Geld zurückzahlt, da ich erst mitten im Jahr und nicht schon zu Beginn geheiratet habe.
Aber auf Anfang:
Der Steuerbescheid kam zurück und zu unserem Erstaunen mussten wir feststellen, dass ich jetzt doppelt so viel Kirchensteuer zahle wie zuvor, nämlich für meinen Mann mit. Der nicht getauft ist, nie einer Kirche angehörte und absolut ungläubig durch die Welt geht. Aber, so mussten wir lernen, in NRW sieht man uns 1. durch die Ehe als Solidargemeinschaft an und da vergelte ich eben Gottes Segen und den der Kirche für den ungläubigen Ehemann mit und 2. existieren für die evangelische Kirche in Deutschland keine ungetauften Menschen, sondern nur ausgetretene, die bloß Geld sparen wollen. Das die Kirche sich jetzt zurück holt. Von der Ehefrau. Von mir!
Ich bin evangelisch getauft, bin in einer Großfamilie mit einem Großvater, der evangelischer Pfarrer war, aufgewachsen und habe immer bei der evangelischen Kirche gearbeitet. Ich war Presbyterin und aktives Gemeindemitglied und jetzt, wo ich krank wurde und der bester Ehemann von allen mich unterstützt und mir ermöglicht so viel oder eben so wenig zu arbeiten, wie ich möchte, da will mir meine Kirche für ihn das Geld aus der Tasche ziehen. Kein Pfarrer hat sich bei mir blicken lassen, als ich krank geworden bin, aber die Hand aufhalten!
Natürlich können wir uns das Kirchgeld leisten. Wir waren vorher Doppelverdiener in Vollzeit und haben auch jetzt noch wirklich genug zum leben. Aber, ihr seht, ich war also beseelt von dem gerechten Zorn, worauf mein Mann sagte:“ Dann geh du doch zum Kirchamt und leg da Einspruch ein, du bist grad so schön in Stimmung“
Innerlich die Pumpgun geladen…
Der nächste Morgen – Fehler gemacht.
Das war der Morgen, an dem ich mit Kollegen wegen Sabine telefoniert habe. Danach habe ich mich ein wenig gesammelt, noch mal tief durchgeatmet, meine Pröddel zusammengepackt und bin raus.
Keine gute Idee
Im Kirchamt ruft die Rezeptionistin die Dame, die für das Kirchgeld zuständig ist, ich lade noch mal die Pumpgun durch. Ich will sie fertig machen, ich zieh die Krebskarte und die Presbyterkarte, ich klage an!!!
Da kommt die Dame ganz freundlich auf mich zu und bittet mich in ihr Büro und will mir das mit dem Kirchgeld noch mal erklären und ich setze an und sage: „Ich und mein Mann, wir haben letztes Jahr geheiratet und ein paar Tage später die Diagnose Krebs bekommen und …“, und schon laufen mir die Tränen übers Gesicht und ich krieg kein Wort mehr raus. 😢
💀 ☠️😡😤
„Das tut mir so leid“, sagt die Dame, die ich fertig machen wollte, „und jetzt kam dann für Sie ganz überraschend, dass Sie auch noch so viel bezahlen müssen..“ Unfähig zu sprechen, kann ich nur nicken 😔. Und sie erzählt weiter und der Kollege drückt mir noch sein Mitleid aus und ich ringe um Fassung, drei Leute um mich herum betüddeln mich ganz mitleidig und ich versuche noch mal anzusetzen: „Wissen Sie was wir für Unkosten und Belastungen haben…- Können Sie nicht beim Sozialamt Hilfe beantragen?- Mein Mann verdient genug“, versuche ich irgendwie noch richtig zu stellen, “ Ja, manche fallen einfach durch das soziale Netz!“ 😲 NEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIN 😅
Ich bin fertig, ich kann nicht mehr, meine Kehle ist zu, meine doofen Augen laufen über, ich krieg kein Wort über die Lippen ohne Buhuhuhu Rotz und Wasser zu heulen, ich schaffs nicht, der Dame zu erklären, das es nicht ums Geld geht, ich will nur noch raus hier. ICH HABE TOTAL VERSAGT!
Mein Mann hat sich abends tot gelacht.
Wenn die auf den Steuerbescheid guckt und sieht was wir für ein Einkommen haben… Ich lasse mich da nie wieder blicken!
Ich hatte mich beim Lesen Deiner Posts schon immer gefragt wo eigentlich Deine Wut ist und ob Du wohl immer so lieb bist. Deshalb fand`ich es gut, dass Du Deine berechtigte Wut mal zugelassen hast, auch wenn sie dann angesichts der freundlichen Dame in Traurigkeit umgeschlagen hat. Wenn die Forderungen der Kirche unberechtigt sind, dann würde ich da schon dranbleiben und dagegen vorgehen.
LG
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Meine Wut kommt regelmäßig, wenn ich im Stau stehe, dann könnte ich zur Axtmörderin werden 😉 …
Ich bin wegen dem Krebs nicht wütend, war ich nie. Bist du es? Ich finde es inzwischen fast einleuchtend, das mir oder jemanden, den ich liebe, so etwas passiert. Ist es nicht eher ungewöhnlich, wenn man durchs Leben geht ohne je einen schweren Schicksalsschlag zu erleben?
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Ja, ich war und bin es immer mal wieder. Das ist eine ganz normale Reaktion auf die Ungerechtigkeit wenn man viel früher als die meisten Menschen sterben muss. Die meisten Psychotherapeuten versuchen bei Patienten die nach einem schwehren Schicksalschlag keine Wut haben die „rauszuholen“, weil es eine gesunde Reaktion darauf ist wenn einem etwas Schlimmes widerfährt für das man absolut nichts kann. Klar, Schicksalschläge gehören mehr oder weniger zum Leben, aber jung oder sehr viel jünger sterben definitiv nicht und es ist dann schon ein großer Unterschied, ob jemand „nur“ krank wird und nicht daran stirbt oder sonst irgendeinen Schicksalschlag erleidet der nicht mit dem verfrühten Tod endet, sondern wo es trotzdem immer irgendwie weitergeht und damit auch immer wieder die Chance da ist, dass doch noch alles gut wird.
Aber die meiste Zeit bin ich damit beschäftigt noch so viel wie möglich Schönes zu erleben, Reise viel und bin ständig unterwegs. Nur immer wieder mal, wenn wieder mal eine nervenaufreibende Untersuchung ansteht und mir die ablaufende Zeit wieder bewusst wird, dann kommt die Wut wieder durch. Wut ist jedenfalls leichter zu ertragen als Traurigkeit wie ich finde, denn die kann schnell mal in eine depressive Stimmung rutschen. Aber gar keine negativen Gedanken in Bezug auf den eigenen Tod zu haben und auch darüber geliebte Menschen zurücklasssen zu müssen, wäre doch irgendwie auch nicht „normal“. Also
was normal ist ist ja eigentlich wurscht, aber ich glaube, dass die Methode „ein bischen Gaga werden “ von der Du mal geschrieben hast erstens nicht immer funktionieren kann und zweitens wahrscheinlich auch nicht gesund ist, denn so ganz austricksen lässt sich der Verstand und die Psyche dann doch nicht. Aber egal wie man es dreht und wendet, leicht ist es ganz sicher nicht mit dem Wissen leben zu müssen eine Krankheit zu haben an der man in absehbarer Zeit sterben muss, was immer „absehbar“ dann im individuellen Fall heißt. Die meisten Menschen sterben OHNE es vorher auch nur annähernd gewusst zu haben, da steht dann in der TOdesanzeige „plötzlich und unerwartet“, denen bleibt es zumindest erspart mit dem Damoklesschwert des „absehbaren“ Todes leben zu müssen und wenn man mal Leute frägt wie sie am liebsten sterben würden, da sagt wirklich JEDER, er würde es vorher niemals wissen wollen, auch nicht ungefähr wann es passiert. Also leicht haben wir es da sicher nicht und Wut als Ventil ist ganz normal.
LG
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Ich bin nicht wütend und war es keinen Moment. Ich glaube auch nicht an eine Karthasis, die die Seele befreit und die versteckten Emotionen hervorlockt. Das ist eine Theorie wie man mit Ereignissen umgehen kann, aber mein Weg ist ein anderer. In der Vergangenheit sind mir im weiteren Bekanntenkreis zwei Menschen begegnet, die wussten, dass sie an Krebs sterben werden, die eine war voller Angst und verzweifelt, der andere voller Wut und Aggression und hat jeden von sich gestoßen. Als ich meine Diagnose bekommen habe, wusste ich, ich will das alles nicht. Keine verzweifelte Angst und keine Wut.
Mit der Wut hatte ich nie ein Problem, es gibt ja einfach nichts, auf das ich wütend sein kann. Gegen wen soll ich meine Wut richten? An wem soll ich sie auslassen? Ich hatte jetzt schon ein längeres und glücklicheres Leben als viele Millionen Menschen auf der Welt.
Und die Angst kommt selten zu Besuch und immer seltener, denn ich glaube eher an diesen Leitsatz: Was man füttert, das wächst auch! Ich füttere weder Angst noch Wut, die kriegen keinen Brocken ab bei mir. Ich füttere Ausgeglichenheit und Akzeptanz. Ich bin manchmal traurig um mich, ich trauere schon vorab um meinen Tod. Es vergeht kein Tag, an dem mir nicht zumindest für einen Augenblick Tränen in die Augen schießen, aber das ist in Ordnung, das gehört dazu. Ich habe nicht das Gefühl, dass da irgendetwas in mir ist, das nur darauf wartet raus gelassen zu werden, es ist schon alles gut so.
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Ja, natürlich ist Dein Weg gut, weil es Deiner ist, der zu Dir passt. Mir persönlich ist Traurigkeit unangenehmer als Wut, denn mit Traurigkeit fühle ich mich klein und hilflos und mit Wut kraftvoll und voller Energie, die ich dann auch immer positiv nutze. Ich verharre nicht in der Wut, wie Deine Bekannte, das wäre schlimm. Es ist nur ein kurzer Moment wo die Wut aufkommt, so ähnlich wie bei Dir beim Stau, und dann kanalisiere ich diese Energie und leite sie um in positive Handlungen. Es ist ja im Prinzip genauso sinnlos im Stau wütend zu sein.
Keine Angst zu haben, wenn der Tod immer näher rückt, erscheint mir wenig realistisch auf Dauer gesehen. Denn es ist im Selbsterhaltungstrieb eines jeden Menschen genetisch festgelegt dass Angst aufkommt wenn das Überleben bedroht ist. Wenn ein großer, bellender Hund zähnefletschend auf einen zurennt hat man automatisch Angst, das ist ein angeborener Reflex dem sich niemand entziehen kann. Wenn der Krebs irgendwann so schlimm ist, dass man ihn nicht mehr ignorieren kann und man z.B. Atemnot hat wegen Lungenmetastasen und weiß dass man daran ersticken wird, dann wird es ohne Angstgefühle nicht gehen,außer man lässt sich mit Beruhigungsmitteln zudröhnen. Ich habe einen nahestehenden Menschen an Krebs sterben sehen, daher weiß ich was Sterben an Krebs bedeutet. Ich habe keine Angst vor dem Tod, weil ich Atheistin bin und mir denke dass nichts kommt danach und vor dem Nichts muss man keine Angst haben und vor dem Sterben habe ich keine Angst, weil ich, nach dem ich eine Verwandte qualvoll am Krebs sterben habe sehen (im so viel gelobten Hospiz) beschlossen habe mir dieses Leid mal zu ersparen in dem ich wenn es mir nicht mehr gut geht in die Schweiz fahren werde.
LG
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Hallo,
wie geht es Dir ? Lange nichts mehr von Dir gelesen. EIn kurzes Lebenszeichen wäre schön.
LG
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