Auf Reisen

Ich bin mal wieder unterwegs, diesmal fahre ich mit dem Schiff entlang der norwegischen Küste hoch ans Nordkap und wieder zurück nach Bergen. Angereist sind wir über Oslo und dann mit dem Zug hoch in die Berge auf fast 2000 m und wieder runter an die Küste, wo wir in Bergen an Bord gegangen sind. Das ist in echt genauso spektakulär, wie es sich anhört. Norwegen ist wunderschön.

Jemand hat mich über diesen Blog mal gefragt, wie geht das eigentlich, Reisen in deinem Zustand? Wenn man meine Diagnose liest, Krebs, Stadium 4, Metastasen, Lungenentzündung, dann meint man, ich müsste bettlägerig sein. Wenn man mich sieht, vergessen viele meine Diagnose, weil man es mir kaum anmerkt. Die Wahrheit liegt dazwischen. Früher hätte ich mich bei meiner Arbeitsstelle gemeldet und gesagt, ich bleib heute mal zuhause, mir ist nicht gut. 😁

Bei mir ist inzwischen aber längst angekommen, dass „mir ist nicht so gut“ der Dauerzustand ist und nicht mehr weg geht. Das ist eher mein neues „es geht mir gut“. „Es geht mir gut“ bedeutet, mir ist etwas schwindelig, ich habe immer wieder zwischendurch Bauchschmerzen und Sehstörungen, Muskelschmerzen, Muskelschwäche, Kreislaufprobleme, Verdauungsstörungen (mal weniger, mal mehr 😣) ich bin müde und nach einem anstrengenden Tag bekomme ich etwas, was ich Hirnklabaster nenne. Vor einigen Jahren habe ich mal so einen Videomarathon mit einer Freundin veranstaltet. Nach gut neun Stunden 😁 Serien gucken, war mein Hirn vollkommen überreizt, es fühlte sich an, als könnte man darauf Spiegeleier braten. Ich ertrug keinerlei Reize mehr, weder visuell, noch akustisch. Das habe ich heute nach einem Tag, an dem ich vielleicht vormittags 2 Stunden gearbeitet habe, mittags einkaufen war, am Nachmittag noch einen Kaffee mit einer Freundin getrunken und anschließend noch irgendeine Kleinigkeit erledigt habe. Am frühen Abend kann ich mich nur noch in die dunkle Stille legen und meinem Hirn beim Brutzeln zuhören.

Und wie kann man so reisen? Ganz gut, mit etwas Unterstützung vom besten Ehemann von allen 😊 . Vor meiner ersten Reise hatte ich wirklich Angst, zwei Monate davor hatte ich große Zweifel und habe schon bereut, die Reise gebucht zu haben. Aber dann ging alles ganz gut. Vor allem natürlich, weil d.b.E.v.A immer Pausen macht wenn ich es brauche und nicht genervt ist, wenn wir zwischendurch mal mehr vom Hotelzimmer als von allem anderen sehen. Manchmal sind wir unterwegs und dann möchte mein Körper nicht mehr so, wie ich gerade will. Übelkeit, Schwindel, Schmerzen. Dann nehme ich den Arm vom besten Ehemannes, lehne mich an und sag ihm, jetzt bitte mal ganz langsam. Und während ich mich darauf konzentrieren einfach einen Schritt vor den anderen zu setzen und tief ein- und auszuatmen, währenddessen kriegt sich mein Körper irgendwann wieder ein. Das dauert meist so 20 min und dann geht’s weiter.

Inzwischen ängstigt mich Reisen nicht mehr, ich weiß, es geht schon irgendwie und ich buche ja auch keine Raftingtouren, sondern halte eher nach den Seniorenvarianten Ausschau.

Und warum reise ich eigentlich so viel? Ich hab fast jedes Jahr Urlaub gemacht, war aber nie jemand, der Reisen zu seinem geliebten Hobby erklärt hätte. Jetzt bin ich wirklich oft unterwegs. Ich war in diesem Jahr schon in Rom, jetzt Norwegen, im Juni Amsterdam, Juli Greetsiel, im September Allgäu, im November Kanaren. .. Wow

Als Rentner habe ich natürlich erst mal mehr Zeit, von meiner Rente bleibt im Monat auch noch etwas übrig und wir sind natürlich auch zu zweit, ohne Kinder, ohne Auto.

Ich habe da aber auch noch einen anderen Verdacht. Immer wenn ich verreisen, dann fällt auch ein klein bisschen Lasten von mir ab. Ich bin dann aus meiner Welt und der Krebs, der bleibt auch Zuhause. Jedenfalls ein großes Stück vom Krebs, der Teil, der immer flüstert: diese Kopfschmerzen, das sind sicher neue Hirnmetastasen, hast du dem Arzt mal gesagt, dass du neuerdings immer so Schmerzen in der Hüfte hast? Und da, wo du neulich solche Krämpfe hattest, sitzt da nicht die Leber? Da musst du dich darum kümmern, das musst du alles im Auge behalten, pass bloß auf, der Krebs selbst hat sich ja auch unbemerkt angeschlichen.

Ja, aber jetzt hab ich Urlaub, da muss ich auf gar nichts aufpassen, außer einen Schritt vor den anderen zu setzten. Und alles was da ist und kommt, das muss eben warten, mein Arzt ist weit weg. Das hat Zeit.

Ich bin jetzt raus 😊

3 Gedanken zu “Auf Reisen

  1. Ich wünsche Dir wunderbare und erlebnisreiche Tage.
    Ich weiß recht genau, wovon Du sprichst. Mir sieht man meine Krankheit auch nicht an, ich bin aber weit von sich gesund fühlen, entfernt. Es fällt mir nicht immer leicht, die Einschränkungen zu akzeptieren. Dazu kommt ja noch der normaler Altersschwachsinnsquark. Der Krebs selbst und die Behandlungen, machen auch nicht jünger, fitter oder schöner. Ich brauche deutlich mehr und längere Pausen und nicht immer wenn mir das paßt. Aber was solls. Das ist wohl der Preis fürs Überleben und so gesehen, ist es schon nicht mehr so schlimm 😉
    Lieben Gruß
    Sue

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  2. Ulrike

    Die wunderbaren Fotos erinnern mich lebhaft an zwei lange Norwegenreisen in jungen Jahren. Norwegen – das war mein Sehnsuchtsland, sozusagen meine große Liebe.
    Ich freue mich für Sie und hoffe, dass Sie es gut haben. Vielleicht jetzt schon (oder bald) in Amsterdam?
    Ulrike

    „Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist.“
    (Jean Paul)

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  3. Die Rabenfrau

    Siehste mal, die Leute sind alle verschieden! Während es dich raus treibt, bin ich am liebsten zu Haus! Ich wünsche dir, dass du noch lange unterwegs sein kannst mit genug Puste für die Berge!
    Ursel

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