Erstaunliche Dinge sind passiert:
zum einen bin ich von mir selbst überrascht! Ich nehme nun ein neues Medikament, Nummer zwei von dreien, die existieren um mein Leben zu verlängern. Keine 9 Monate hat das letzte gewirkt, bevor ich dagegen resistent geworden bin. Damit liege ich sogar noch knapp unter dem Mittelwert, den ich aber vorher auch gar nicht so genau kannte. Auch bei dem neuen Medikament will ich nicht wissen, wieviel Zeit es mir gibt.
Jedenfalls habe ich vermutet dass meine erarbeitete Ausgeglichenheit ins Wanken gerät, wenn ich wieder eine Stufe erreicht habe, wenn ich dem Tod näher komme. Das war aber gar nicht so. Es hat ein zwei Tage gegrummelt in meinem Bauch, aber mehr weil alles zusammenkam: ein neuer Arzt, wage Befunde. Jetzt war aber die Resistenz klar, ich hatte auch das Gefühl, dass sich bereits die ersten Knochenmetastasen bilden, aber all das ist wieder weg mit dem neuen Medikament.
Es war in Ordnung, ich spüre keine neu aufflammende Angst oder Traurigkeit. Ich trau mir ja immer selbst nicht über den Weg, ich denke selber oft, das kann man doch eigentlich gar nicht aushalten, immer den Tod vor Augen zu haben. Bestimmt lauert da etwas Großes in meinem verdrängten Unterbewußtsein, dass mich bald anfallen wird. Aber erstmal wohl nicht.
Und jetzt bin ich nochmal überrascht!! Von mir selbst und vom Leben. Tatsächlich wurde mir am Freitag von meinen Vorgesetzten ein neuer Job angeboten, der sogar einen Aufstieg bedeuten würde. Es ist nicht so, dass Sie glauben, dass ich mit meiner Krankheit meine jetzige Arbeit nicht mehr gut machen kann, sondern es ist eine echte, richtige Beförderung.
Gedanklich hatte ich mich schon auf Vorruhestand eingestellt. Ich dachte, das wars, da kommt doch jetzt nichts mehr, keine Karriere, keine Kinder, kein Haus, gar nichts mehr. Das war mein Leben. Das gucke ich mir noch ein bisschen an und dann gehe ich.
Und dann kommen die mit sowas um die Ecke! Und machen sich gar keine Gedanken, wie lange ich diesen Job überhaupt noch machen kann. Weil es Ihnen einfach egal ist.
Bin ich verrückt, weil ich darüber nachdenke den Job tatsächlich anzunehmen? Jetzt etwas Neues zu beginnen? Das ist schon verrückt, oder? 🙂
Ich lebe jetzt seit über sieben Jahren mit dem Tod vor Augen (mit ein und derselben, durchgehenden Chemo). Es war nicht zu erwarten, dass es so lange geht. Ich denke schon eine ganze Zeit nicht mehr sehr oft über meine grundsätzliche Situation nach.
Zu einer regelmässige Arbeit wäre ich aber schon lange nicht mehr fähig. Daher ist es ganz gut, dass ich in Frührente bin.
Ob Du die Beförderung annimmst oder nicht, kannst nur Du entscheiden. Nur Du kannst beurteilen, ob sich das für dich gut anfühlt oder eher nicht. Ich finde, das Angebot ist auf jeden Fall eine Anerkennung Deiner bisherigen Arbeit – ob Du annimmst oder nicht.
Gruß
Sue
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Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, jetzt etwas Neues anzufangen. Wenn es das ist, was Du vllt. schon immer wolltest oder wenn Du meinst, dass Du Spaß daran hättest, kann das sicher eine große Motivation sein und Kraft geben.
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Vielleicht ist Deinem Arbeitgeber nicht bewusst was palliativ wirklich bedeutet. In meinem
Bekanntenkreis wissen das die Meisten nicht.
Ich würde nicht so viel drauf geben, um wieviel Zeit das neue Medikament statistisch
das Leben verlängern kann wenn es anschlägt, denn erstens weiß man ja doch nicht zu
welcher Seite der Statistik man gehören wird und zweitens ist es bei lebensbedrohlichen Hirnmetastasen, bei denen Medikamente wegen der Blut-Hirnschranke nichts bringen, sowieso nur entscheidend, ob die Strahlentherapie angeschlagen hat.
Ich bewundere Deine psychische Ausgeglichenheit sehr und frage mich was Dein Geheimins ist , dass Du das ganz ohne Psychoonkologe schaffst.
Gruß
Judith
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Doch, sie wissen ziemlich genau was palliativ heißt… Auch nachdem sie jetzt mitbekommen haben, dass zum zweiten Mal die Metastasen entfernt wurden und ich gegen ein Medikament resistent geworden bin, ist ihnen klar, dass da etwas bei mir passiert und voranschreitet.
Susanne hatte unter meinen letzten Beitrag geschrieben, dass ich vermutlich dunkle Stunden habe, in denen ich vor Angst und Kummer nicht weiter weiß, aber das ist gar nicht so. Es gibt Momente oder es gab auch Tage, da war ich leicht depressiv, da habe ich mir gewünscht, dass alles schon vorbei wäre und ich nicht mit diesen Aussichten leben müsste, das aushalten zu müssen. Aber das waren nur sachte Anflüge von depressiven Verstimmungen und je länger ich die Diagnose habe, desto weniger spüre ich Unausgeglichenheit. Ich habe keine Angst, jedenfalls jetzt nicht. Wenn ich mir Gedanken mache, dann eher um meinen Mann oder meine Schwester oder… Ich weiß nicht, wie es anderen geht. Vielleicht geht es vielen so? Wie geht es dir damit, Judith?
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