Einhörner

Es gibt sie – sie sind selten, aber sie existieren. Wahrscheinlich begegnen die meisten Krebskranken irgendwann ihrem Einhorn, der Person, die schwerst krank, metastasiert, am Rande des Todes wieder zum Leben zurückfand. Und dort blieb, zumindest für eine Weile.

Mein Einhorn lebt in Amerika, ist eine Frau, ein paar wenige Jahre älter als ich und lebt seit 18 Jahren mit metastasierten Lungenkrebs mit ALK Mutation. 18. Achtzehn. ACHTZEHN!

Das ist so eine Zahl, da könnte man glatt wieder darüber nachdenken, langfristigere Pläne zu machen, sich doch noch ein paar Ziele zu stecken, wieder zu träumen anfangen, wie dein Leben aussehen könnte, wenn du nur wolltest. Das ist so eine Zahl, dass sich der kleine Feuerball in meiner Magengrube, den ich seit vier Jahren mit mir herumtrage glatt mal für ein paar Tage fast aufgelöst hat. Das hat sich so gut angefühlt, ein paar Tage mal keine schlechten Gefühle wegdrücken müssen.

Jetzt holt mich so langsam die Realität wieder ein, und trotzdem mache ich mir ein paar Gedanken zu meiner Zukunft…

Ist diese Frau ein Einhorn? Ja, ist sie. Gestartet ist sie in Stadium drei, nicht vier, wie alle „ALK´is“ , die ich kenne. Dann haben ihr verschiedene Medikamente ziemlich lange gut geholfen, während bei mir in der Regel nach einem Dreiviertel Jahr alles den Bach runter geht. Und als ich das letzte Mal vor einigen Monate von ihr hörte, klang es sehr nach Abschied. Sie hat alle Therapien durch, es gibt nichts mehr für sie, jetzt ist langsam Ende der Fahnenstange… Und nun kam sie offenbar doch noch in einer neuen Studie unter und innerhalb kürzester Zeit verkleinerte sich sämtliches Tumorgeschehen um 70% – ein Wahnsinn, mein kleines Einhorn.

Trotz allen Unterschieden zwischen uns.

Trotz meiner meinen wachsenden körperlichen Malästen in diesem Jahr.

Trotzdem ich mir nicht vorstellen kann, wie das bei mir gehen soll.

Macht das Hoffnung auf ein etwas größeres Stück echtes Leben

Boston Terrier Trägt Einhorn Haustierkostüm

2 Gedanken zu “Einhörner

  1. Ulrike

    Die Realität ist nur einen Einhornritt entfernt.
    Es ist nie zu spät, dein Einhorn zu satteln.
    Kennst du das große Einhorngeheimnis? Es wünscht sich nur Eines: dass du ihm ganz fest vertraust. Dann trägt es dich sicher.
    Denn Zweifel sind Verräter. Sie enttäuschen unser Einhorn und rauben uns, was wir gewinnen können.
    Zweifel machen den Berg. Das Vertrauen in dein Einhorn kann ihn versetzen.

    Was hältst du davon, dein Einhorn gut zu füttern und sein Fell tagtäglich liebevoll zu striegeln und ihm immer wieder was ins Ohr zu flüstern?
    Aber was?
    Deine BITTE, dass alles gut wird?
    Stattdessen schlage ich vor:
    Flüstere ihm Deinen DANK, DASS ALLES GUT IST! Ja: gut IST !
    Jeden Abend vor dem Einschlafen: Deinen DANK, dass alles gut IST.
    Und dann schlaf‘ und träum‘ schön…
    Sei sicher: Eines Morgens schwingst du dich auf dein Einhorn und reitest in die weite Welt.
    Sei sicher!

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  2. Ulrike

    Sonntag. Beschäftigung mit dem Einhorn – angeregt durch Sie, wofür ich danke.
    Über Rainer Maria Rilke geriet ich auf „Deliahs Einhornseiten“.
    Vielleicht auch anregend für Sie?
    http://test.deliah.com/einhorn/entstehung.htm

    Hier nun aber erst einmal Rilkes Gedicht
    als Sonntagsgruß für Sie:

    Das Einhorn

    Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
    fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte:
    denn lautlos nahte sich das Niegeglaubte,
    das weiße Tier, das wie eine geraubte
    hülflose Hindin mit den Augen fleht.

    Der Beine elfenbeinernes Gestell
    bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
    ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,
    und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
    stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,
    und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.

    Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
    war leicht gerafft, so dass ein wenig Weiß
    (weißer als alles) von den Zähnen glänzte;
    die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.
    Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
    warfen sich Bilder in den Raum
    und schlossen einen blauen Sagenkreis.

    (Rainer Maria Rilke, Winter 1905/06, Meudon)

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